Wirklichkeit Bilden
von Johannes Wagemann
Atelier – Labor – Altarraum |
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Als
ich zum ersten Mal ein Bild von Sebastian Walter Lilienfein
betrachtete, erregte es nicht sofort meine ungeteilte Sympathie,
wenngleich ich seine starke Wirkung empfand, als wollte es mir etwas
Bedeutsames mitteilen. Da es nicht unmittelbar auf der Hand lag, was
das hätte sein können, blieb mir nichts anderes übrig als das Bild zu
befragen. Nach und nach, erst zögerlich, dann deutlicher, entstanden
Antworten zu meinen Fragen. Die Blicke und Begriffe fügten sich langsam
zum Bild zusammen – und ich sah das Bild mit anderen Augen...
wirklicher wie mir schien. Der
Beobachtung, dass auf der Stufe realistischer Abbildung nicht mehr als
das bloße Aggregat alten Plunders zu sehen ist, entspricht der Sinn,
den Zusammenhang der Dinge selbst und neu bilden zu müssen, da er nicht
mehr vorgegeben ist. Insoweit sich der Künstler durch dieses Grundmotiv
beim Aufbau und Malen der gegenständlichen Motive leiten lässt, bekommt
auch die Rede vom Realismus einen neuen Sinn. Indem der
Gegenständlichkeit innerhalb künstlerischen Erlebens der rechtmäßige
Rang des Durchgangsstadiums zuerkannt wird, sie weder als symbolisch
festgelegte Vorgabe, noch als dekorativer Selbstzweck missbraucht wird,
öffnet sich der eigentliche Bildevorgang – nicht das Resultat, sondern
der Prozess – dem suchenden Blick. Und dieser Vorgang umfasst nicht nur
das, was der Maler mit Material und Farbe macht, sondern auch den
Anteil, den er (und jeder andere an das Bild Herantretende) erkennend
zu leisten hat. Thema und Herausforderung dieses "prozessualen Realismus"
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sind somit das Wirklichkeitbilden des menschlichen Bewusstseins. Das
Vergängliche und Morbide erscheint schön, nicht aus sich heraus,
sondern weil es seiner Sphäre poetisch ein Stück weit enthoben ist.
Anteilnahme und innere Aktivität werden durch die geheime Ordnung der
zusammengewürfelten Dinge, durch Lichtglanz, Farbleuchten und
plastisch-materiale Struktur angeregt. Die Bilder bieten sich dazu an,
sie nicht nur passiv auf sich wirken zu lassen, sondern bewusst
empfindend in sie einzutauchen, selbst experimentierend zu erkunden,
wer oder was hier den Abgrund zwischen Sperrmüll und Weltordnung,
zwischen Ödnis und Menschlichkeit überwinden kann. Damit haben wir das
Kunsterleben der Wissenschaft genähert – weder der zählenden und
messenden Disziplin noch der abstrahierenden Kunstwissenschaft –
vielmehr der sich konkret ihrer eigenen bildnerischen Tätigkeit
zuwendenden Form des Erkennens, die erstmals von Rudolf Steiner erprobt
und dargestellt wurde. Diese im Anschluss an Goethe entwickelte
Erkenntniswissenschaft eignet sich in charakteristischer Weise zur
Kunsterkenntnis, da sie den Grundzug der Immanenz trägt. Fern liegt es
ihr, theoretisch erklären zu wollen, was auf Erfahrung und Erlebnis
beruht. Ihre Methode ist die Selbstbeobachtung des Wirklichkeit
mitschaffenden Erkenntnislebens des Menschen, die bewusste
Anverwandlung menschlicher Tätigkeit an ihren Gegenstand. |
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Der große Strom |
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Alltägliches, aus dem Kontext Gefallenes und Vergessenes sucht neuen Zusammenhang. Eine geheime Versuchsanordnung lässt die Vertreter des Vergänglichen erwartungsvoll aufleuchten: Welkes Laub, gesammelt in einem blechernen Waschzuber, ausgestopfte Vögel, eine schwere, verrostete Kette, eine offen gebliebene Türe ... "Der große Strom" Öl auf Leinen, 180 x 90 cm, 2006 Licht strahlt aus zwei Richtungen: Von unten künstliches Licht, das Laub erhellend, sich im blanken Globus wie eine Antwort auf die leere Eierschale abbildend (Detail1) – von oben natürliches Licht, das sich wie Wasser am Boden ergießt und in den Glasbruchstücken spiegelt ... Beginn eines Gesprächs. Im unteren Teil des Bildes häufen sich die Dinge. |
Von
diesem planvoll-zufälligen Konglomerat, von der spröden Beheimatung in
Vogelnest und Zinkwanne ausgehend, dem Hin und Her des Vogelblicks und
dem wellenförmigen, im weiteren sich überschneidenden Verlauf der Kette
folgend, spitzt sich der Beobachterblick nach oben hin immer weiter zu.
Er verfolgt die Kette in der geöffneten Tür bis zu ihrem Verschwinden
in einem unbekannten Raum... dort die Lösung des Rätsels erahnend? (Detail2) Andererseits
schreiten wir von unten aus einer fragmentierten Räumlichkeit über zwei
Stufen nach oben in einen von Dingen befreiten, sich weitenden Raum. Im
Wandeln zwischen Unten und Oben durchdringen sich Verengung und
Aufweitung.
Auch der Lichtkegel des durch die Fenster fallenden Tageslichts spitzt sich nach oben hin zu seinem Ursprung zu. Nach unten hin, wie im Gegenverkehr zu Boot und Vögeln schieben sich die reflektierenden Glasscherben mit ihren scharfen Ecken voran bedrohlich auf den Betrachter zu. (Detail3) Sie bringen in ihrer schroffen Vereinzelung doch Licht – Helligkeit und motivische Struktur – in das Dunkel. So wie sie zielend nach unten streben, recken sich die Hälse der leeren Flaschen und Gläser in die Höhe nach neuer Füllung. So wie jene – auch todbringende Schärfe verheißend – die Fülle und Beweglichkeit des Lebens stufenweise ablähmen bieten diese die Möglichkeit zu neuem flüssigem Inhalt. Und dann ist da die Korrespondenz der Kugeln. Die große, angestrahlte Weltkugel im Vordergrund, die kleine zur Hälfte verdeckte, blaugläsern durchstrahlte im Hintergrund. Durchstrahlung des Verhüllten und spiegelnder Glanz des Offenbaren. Dazwischen eine grüne Glaskugel, deren Ansicht mittig durchbrochen ist vom Hals der Ente. (siehe Detail3) Grüne Kontinente und blaues Meer auf das Elementare zweier Kugeln gebracht, entmischt zum Wesentlichen erhoben, verhüllend entrückt. – Das Experiment gelingt, indem die Dinge Beobachtung und Würdigung in ihrer formalen und materialen Eigenheit und Eigentümlichkeit erfahren. Durch ihre in der Komposition angelegte Gemeinschaft entfalten sie neue und gesteigerte Lebendigkeit. Sie werden zu Zeugen und Zeugnissen der Rekomposition einer dekomponierten Welt, der Schaffung von Wirklichkeit im Menschen, und der Betrachter selbst vermag die Berufung in den Zeugenstand seines eigenen Sein zu erahnen. |
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Gefährliche Überquerung |
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Auf
nächtlicher, mondbeschienener See gleitet das Fischerboot dahin, die
Netze zum Fang ausgebreitet. Gefangenes, in Schichten gestrandet,
gesunken, abgelagert, harrt im Zwielicht der Klärung. Die Meereswogen:
dunkle Bodendielen, das helle Tageslicht spiegelnd. Das Fischerboot:
ein Modell, dessen größeres Pendant bereits ausgemustert auf der Seite
liegt. Der Fang: Ungesuchtes und doch Gefundenes im Abwärtstaumel
zielvoller Unordnung – gekipptes Schiff, gestürzte Bilder, geleerte
Gläser und Flaschen. Elementar Entgegengesetztes. Von unten her scheint
die vertikale Dielenstruktur durch, oben dagegen horizontal verlegte
Bodenbretter. Oben kühles, bläuliches Licht – unten warmes, gelbliches
Licht. Die Vereinigung des Getrennten vollzieht sich in Stufen des
Übergangs. Das große, zum Teil unter einer Glasscherbe begrabene Schiff
– das winzige, illuminierte, sich davon lösende Rettungsboot, in seiner
Ausrichtung zielend auf – das Fischerboot: Verlassen des brüchig
gewordenen Kokons – Entfalten der Schwingen und Aufnehmen der Reise zu
den Fanggründen. |
Der erkennende wie auch der künstlerische Bildevorgang als versöhnender Ausgleich des Gegensatzes von Form und Stoff. Nicht einen schalen, statischen Kompromiss oder das einseitige Triumphieren einer der beiden Konstituenten, sondern eine vom Höchsten zum Tiefsten reichende Struktur, einen ab- und aufsteigenden Individualisierungs- und Universalisierungsstrom zwischen Urbild und Abbild ergibt dieser Modellversuch im Labor des Malers – ein Bild des Menschen.
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Im Mai |
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Oben rechts: dunkle Tentakeln und deren Schatten vor einer angestrahlten Wand. (Detail1) Unten rechts: der durch Tageslicht erhellte Leuchter vor dunklen Bodendielen. (Detail2) Dazwischen, über die linke Bildseite gespannt, bestimmt ein leicht gekrümmter Bogen die räumliche Dynamik des Bildes. Der Austausch und Ausgleich des Komplementären birgt einen weiteren Wechsel: Das braunschwarze abgestorbene Agavenblatt ist im unteren Bereich wiederum von künstlichem Licht erhellt – in dem von natürlichem Licht erleuchteten Leuchter starren den Betrachter die leeren schwarzen Kerzenhalteröffnungen wie tote Augen an. – Dunkles im Hellen, Helles im Dunklen, getrennt und vereint. "Im Mai" Öl auf Leinen, 160 x 80, 2004 Mit in die Rundung der (wie eine größere Entsprechung des Agavenblatts erscheinenden) Gesamtkomposition einbezogen, selbst aber scharfkantig und spitzeckig: die Glasscheiben bzw. –bruchstücke. Sie bringen bläuliche und auch grüne Töne in das Bild, in dem sonst erdige, warme Farben überwiegen. Sie werfen den Himmel ins Irdische hinein, spiegeln als selbst tote, mineralische Objekte Licht und Leben (Baum mit Frühlingsgrün) in das Aggregat aus abgestorbenem Unrat, in eine verkommene und verlassene Räumlichkeit. |
Auf
etwa zwei Drittel Höhe des Bildes: Das "Herz", ein roter Eimer, wie von
innen heraus erleuchtet, seine Außenhaut hinter Glas, das teils
verdeckend (wo es reflektiert), teils transparent zur Wirkung kommt.
Aus ihm ragt ein weiteres vertrocknetes Agavenblatt, krümmt sich über
seinen Rand und schließlich auch über das benachbarte Glas. Auf dem
Glas: Reflex und Schatten des Blattes zugleich. Dort wo das Eigene des
Blattes im Dunkel seines gläsernen Schattens zurücktritt, erscheint im
Durchblick die Röte des Eimers, der spiraligen Intentionalität der
Blattverjüngung folgend. Das Gespräch der Dinge als ein wechselseitiges
Sich-zu-Wort-kommen-Lassen … der Betrachter ihr Moderator. (Detail3) |
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Herz aus Glas |
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Geteiltes
Bild – Bildnis der Teilung. Teilung als Sonderung, Trennung oder auch
als Proportionierung, In-ein-Verhältnis-Bringen. Zwei Welten ringen im
Vexierbild um Vorherrschaft. Oben die eine: Helle, warme Farben, sanfte
Kontraste, organische Formen laden in eine freundlich-lichte Sphäre ein
... doch welkende, getrocknete Blüten, eine rissige Wand, eine auf der
Kippe stehende Glasflasche und bläulich-gespenstische Schatten deuten
auf die Wirksamkeit eines anderen Untertons hin. (Detail1) Unten
die andere: Düster-kühles, einfarbiges, bis ins Schwarz abgetöntes
Blauviolett, aus der Aufrechten gerückte Sicht ... doch öffnet sich
hier der Bildraum weithin und orientiert den Blick aufwärts in einen
Tür-Fenster-Lichtbereich hinein. (Detail2) |
Licht – das auch aus der geteilten Dachluke dringt. "Herz aus Glas" Öl auf Leinen, 2-teilig, 160 x 80, 2006 Dort erfährt das zunächst in der Vertikalen entfaltete Thema des Bildes noch einmal komprimiert eine in die Tiefe reichende Variation. Drei übereinander geschichtete Glasscheiben erzählen im Entleeren und Neuerfüllen der Dinge mit Bedeutung vom Spiel sich durchdringender Erkenntnisebenen. (Detail3) Dieser im Rhythmus von Systole und Diastole sich vollziehende Pulsschlag des Bewusstseins ist unser Herz aus Glas. |
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Auf der Suche nach dem Bild – Zur Selbstfindung des Bildens | |||||||||
Wo
ist das Bild? Natürlich hängt es an irgendeiner Wand oder liegt wie
hier als verkleinerte Reproduktion vor. Doch belehrt uns die
Hirnforschung, dass so zu sprechen naiv sei: Was wissen wir schon über
die Entstehung und Existenz des Bildes? Das auf die Netzhaut unserer
Augen treffende Licht zersplittert in Milliarden Nervenerregungen, die
ins Gehirn geleitet, weiterverarbeitet und auf die sogenannte Sehrinde
projiziert werden. Ohne gesunde Augen und ein intaktes Gehirn kann sich
das Bild für uns nicht ergeben. Aber auch diese Sicht des Sehens der
Dinge lässt die entscheidende Frage nach dem Ort des Bildes bzw. seiner
Wahrnehmung offen, da das im Gehirn entstehende Dekomponat des
Netzhautbildes allen Gestaltzusammenhangs und jeglicher visuellen
Qualität entbehrt. Wir stehen also vor den beiden Möglichkeiten: Das
Bild wird draußen, in der umgebenden Welt gesehen (was unserer
Alltagserfahrung entspricht) oder das Bild wird drinnen, im eigenen
Kopf gesehen (was die Ergebnisse der Hirnforschung nahezulegen
scheinen). Ein Mittelweg bestünde vielleicht darin, dass das womöglich
im Kopf wahrgenommene Bild unbewusst wieder nach draußen, in den
illusionären Kontext einer räumlich-zeitlichen Szenerie
zurückprojiziert würde. Doch es bliebe unklar, auf welchem Weg dies
geschehen sollte und woher die zahllosen Nervenimpulse ihren
einheitlichen Erlebniszusammenhang, ihre Bedeutung erhalten sollten. |
Diese
ironisch-paradoxe Geste enthüllt den Charakter
realistisch-bildnerischer Prozessualität: Diese bietet keinen Ort zum
Verweilen, lädt vielmehr zur bewussten Wechselbewegung zwischen
materialbedingten und bildgebenden Einflüssen ein.
Damit hängt auch zusammen, wie der Maler die Raumestiefe durch "visuelle Komprimierung" und "überräumliche Expansion" zu überwinden vermag. Er löst die selbstgestellte Aufgabe der durch den Wechsel von Reflexionen, Durchsichten und direkten Ansichten entstehenden Anforderung, verschiedenen Lichtverhältnissen und Fixationen des Blicks gerecht zu werden, indem er das im räumlichen Aufbau nicht gleichzeitig Sehbare (und auch nicht Fotografierbare) in einer einzigen, helligkeitsmäßig ausgewogenen Sehebene zusammenbringt. Auf diesem Wege ereignet sich die Reduktion der äußerlich sichtbaren Raumeswelt auf eine Bildebene bei gleichzeitiger Weitung der inneren Erlebnisebenen. Das formal Ärmere – weil der räumlichen Tiefen- und Lichtwirkung Entbehrende – wird zum Inhaltlich Reicheren – weil in der Zusammenschau eine höhere, über die platte Realität hinausgehende Erfahrung Anregenden. Ein drittes Element, das unseren suchenden Blick auf die bewegte Spannung zwischen Entbildung und Bildung lenken kann, ist die Teilung bestimmter Bilder. Diese lässt den Betrachter das Fragmentarische als unmittelbaren Nullpunkt allen Erkennens erfahren, orientiert den Blick auf einzelne begrenzte Bereiche, mikrokosmische Subebenen des Bildes, die in ihrer Sonderung die Erfahrung aus dem formalen und farblichen Gesamtzusammenhang herausfallender Eigentümlichkeit vermitteln. Sie bieten als geradlinige Segmentierungen und Sichtachsen aber auch Ordnungsoptionen an, die mit der Sphäre des ungeteilten Bildes zum Teil sinnentsprechend korrespondieren oder sie in schroffer Geste negieren. Insgesamt ist der Betrachter zur fortwährenden Überwindung des unterbrochenen Zusammenhangs aufgerufen, was die Bewusstwerdung der neu- und selbstbildnerischen Aktivität anregen kann. Diese im Grunde für alle gegenständliche Malerei maßgeblichen Prinzipien der Bildentstehung scheinen in der Kunst des Sebastian Walter-Lilienfein in besonderer Weise zum Tragen zu kommen. Denn seine Bilder lenken weder von der namenlosen Zufälligkeit und dem faktischen Bildungsnotstand des Materiellen ab, noch negieren sie die Bildungskraft schöpferischer, über die Natur hinausreichender Ideen. Beides zusammen genommen, lässt sich künstlerisches wie natürliches Schöpfen folgendermaßen deuten: So zu bilden, dass auch andere Wesen zu bilden vermögen. Aufruf zum eigenen Bilden bieten die Bilder in der dargestellten Weise. Die charakterisierte Spannungsfolge zwischen Dekomposition und Rekomposition gipfelt schließlich im motivischen Aufbau untereinander beziehungs- und für sich belangloser Dinge. Und die immer wieder zu unternehmende Lösung liegt in der realistisch strengen und gleichzeitig übernatürlichen Neubildung des Betrachters: Wer mit dem Auge nur richtig hinhört, sieht nicht nur den Verschnitt des Bekannten, vernimmt vielmehr ungeahnte Bedeutungsklänge und in farblich-motivischer Rhythmik ertönt eine erhabene Sinnmelodie. Dass dieser Balanceakt kein Hirngespinst ist, hat bereits Goethe durch die Kultivierung seines Naturerlebens gezeigt. In den Projekten seiner Naturforschung erlebte er die Durchdrungenheit der Natur mit schöpferischen Bildekräften. Das gesehene oder gemalte Bild der Natur war ihm Momentaufnahme des Wirkens dieser Kräfte. Von dort aus versuchte er durch die Steigerung seiner eigenen Anschauungsfähigkeit zu den Urkräften und Urbildern der Natur vorzudringen. Seine Einsicht bestand darin, dass es die gleichen Kräfte sind, welche der Mensch im Anschauen der Natur und welche die Natur im Hervorbringen ihrer Wesen betätigt. Allerdings erfahren sie durch ihre Bewusstseinsbeaufschlagung im Menschen eine echte Neuerung gegenüber ihrem noch bloß blindem, unerkannten Naturwirken. Dieses Naturwirken hat sich in der Evolution einer menschlichen Leiblichkeit erschöpft, die den Menschen durch ihre Nerven-Sinnes-Tätigkeit aus dem Zusammenhang des Naturwirkens herausreißt. Neues hervorbringende Schöpferkräfte sind seit diesem Endpunkt der natürlichen Evolution nur noch im erkennenden und handelnden Wirklichkeitbilden des Menschen zu finden. Indem der Mensch sie bewusst ergreift, macht er sich zum Gestalter einer neuen, aus dem Alten umzuschmelzenden Welt. – So entzünden sich in den Bildern Sebastian Walter-Lilienfeins die glimmenden Splitter unseres geborstenen Realitätsglaubens zu einer bislang ungekannten, geheimnisvoll offenbaren Ornamentik des Menschlichen. Auf den Pfaden solcher Kunst, die von dem Vergangenen in der Sprache der Zukunft erzählt, können wir auch unseren Weg zur Wirklichkeit finden – begreifen, dass wir Mitschöpfer des Augenblicks sind. |
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© Copyright Text: Johannes Wagemann
© Copyright Bilder: Sebastian Walter-Lilienfein